Kein Fleisch ohne Milch - und umgekehrt
Die Milchproduktion und die Fleischproduktion sind auf den ersten Blick zwei verschieden Betriebszweige in der Landwirtschaft.
Doch wenn man näher hinsieht, stehen diese beiden Formen der Nutzvieh-Haltung in einer engen Verbindung - und es gibt hier oft ein riesiges Missverhältnis: Um an Milch zu kommen, wird die Fortpflanzung forciert; doch zur Welt kommende Jungtiere finden oft weniger Abnehmer als ihre Nahrung, sodass sie anderweitig "verwertet" werden müssen.
Ein Problem von Ursache und Wirkung
Nur wenige Milchvieh-Betriebe haben die Kapazität, hinzukommende Kälber, Lämmer oder Ziegenkitze aufzuziehen. Die, die es können, begrenzen die Zahl der Neuzugänge oft drastisch. Meist bleibt die Auswahl auf weibliche Tiere beschränkt, da diese später selbst Milch geben können. Der "übrig" bleibende Nachwuchs muss früher oder später von den Müttern getrennt werden, um deren Milchleistung besser ausschöpfen zu können.
Aber auch Einrichtungen, die neben Milch Fleisch produzieren, können nicht alle Jungen behalten. Hier wird ebenfalls reduziert, um die Haltung und Versorgung der Tiere auf einem optimalen Level zu halten - zumindest so lange, bis die nachgeborenen Rinder, Schafe oder Ziegen schlachtreif sind. Spätestens an diesem Punkt stehen Mastvieh-Halterinnen dann vor dem gleichen Problem wie ihre Milchvieh-Kolleginnen:
Der Absatz von Kalb-, Lamm- oder Ziegenkitzfleisch liegt oft weit unter dem Bedarf nach Milch. Anders ausgedrückt: Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen zwar die ursprüngliche Nahrung der Jungtiere, nicht aber ihr Fleisch. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Sie fangen bei falschen Vorstellungen an und hören bei höheren Preisen auf.
Es wird zwar viel Ziegenkäse und Ziegenmilch konsumiert, aber wenig Ziegen(kitz)fleisch.
Moralisch-ökologisches Bewusstsein wecken
Noch immer gehört es zum beliebtesten Kopf-Bild, dass biologisch gehaltene Tiere ein besseres Leben haben als konventionell untergebrachte Artgenossen. Prinzipiell stimmt das auch - doch um Milch und/oder Fleisch zu gewinnen, müssen Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern genauso handeln wie andere Züchter; d.h. sie separieren den Nachwuchs, um ihn gleich oder etwas später zu schlachten.
Denn Fakt ist: Nur Mütter, die kein Junges versorgen müssen, können ihre Milch hergeben - und die wiederum fließt nur, wenn sie vorher geboren haben.
Der Preis dafür ist in doppelter Hinsicht hoch. Zum einen müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst werden, dass Milchkonsum nur durch Fleischproduktion möglich ist; zum anderen müssen sie bereit sein, diese Bedingung mitzutragen.
Ein Bratenstück aus biologisch gehaltenen Jungtieren ist um einiges teurer als gleichartiges Fleisch aus konventioneller Tierhaltung; ist und schmeckt dafür aber besser.
Doch wenn Betriebe den "Überschuss" nicht absetzen können, sind sie gezwungen, Kälber, Lämmer oder Ziegenkitze weiterzuvermitteln. Für die Tiere bedeutet das puren Stress, denn der Weg zu anderen Abnehmern ist oft lang. Tagelange Fahrten in engen Transportwagen sind keine Seltenheit und führen den Bio-Gedanken ad absurdum, weil neben den Jungen auch die Umwelt leidet und Ressourcen verbraucht werden.
Kauft man heimisches Lammfleisch, Ziegenkitzfleisch oder Kalbfleisch (im Bild vom Biohof Sani) unterstützt man die regionale Landwirtschaft und die Tiere müssen nicht einen weiten Transport zur billigen Mast ins Ausland antreten.
Eine einfache Lösung
Mit dem Kauf regional erzeugter Produkte leisten Verbraucherinnen und Verbraucher einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Landwirtschaft - und der sollte Milch- und Fleischkonsum sinnvoll vereinen. Ein Direkt-Kauf von Fleisch (und Milch) bei Bio-Bauern sichert das Wohlbefinden von Mutter- und Jungtieren, schont die Umwelt und unterstützt ortsansässige Unternehmen.
Durch ganzheitliche Abnahme können sich mehrere Kunden und Kundinnen ein Kalb, Lamm oder Ziegenkitz teilen - und so sogar ein wenig sparen.